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Unternehmenswert bestimmen – So geht’s!

 

Beim Kauf eines Unternehmens stellen sich unweigerlich zwei Fragen: Was ist der Betrieb wert? und Lohnt sich der Kauf des Betriebes?
Um diese zentralen Fragen beantworten zu können, ist wichtig zu wissen, was gekauft oder übernommen wird. Hierzu gehört zum einen die Substanz, also die Summe der Marktwerte aller Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und Waren. Zum anderen ist dies der Betrieb als Einheit, als funktionierende Ertrags- bzw. Einkommensquelle.

Jeder Handwerksbetrieb ist einzigartig. In der gleichen Form gibt es ihn kein zweites Mal am Markt. In einer solcher Situation kann der Wert des Betriebes auch nicht oder nur sehr schwer am Markt ermittelt werden. Betriebswissenschaftliche Berechnungsverfahren helfen zumindest einen Ausgangspunkt für die Kaufpreisverhandlungen zu ermitteln.

Wie kann der Unternehmenswert ermittelt werden?

  1. Substanzwertmethode – hier werden die Zeitwerte der Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und Waren zu einer Summe aufaddiert. Der Substanzwert ist der Mindestwert eines Betriebes.
  2. Ertragswertmethode – die Ertragswertmethode ist ein betriebswissenschaftliches Modell basierend auf der Investitionsrechnung. Der Wert bestimmt sich in diesem Modell über die Summe der diskontierten, zukünftigen Erträge.

Auf der Ertragswertmethode baut auf den AWH-Standard der Handwerkskammern (AWH = Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk) auf. Das Bewertungsverfahren nach AWH-Standard berücksichtigt auch Einflussgrößen, die bei der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen von großer Bedeutung sind.

Werzeug in einer GoldschmiedeZur Bewertung werden herangezogen:

  • Betriebsnotwendiges Anlage- und Umlaufvermögen, z.B. betriebsnotwendiger Waren- und Materialbestand
  • Berichtigung des Ertragswertes bei Übernahme zusätzlicher Werte: Forderungen, teilfertige Leistungen usw.

Die Bewertung erfolgt ohne Betriebsgrundstück und Gebäude.

Erfolgsprognose

Auf Basis von testierten Vergangenheitswerten (Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen des Betriebes) wird eine Erfolgs-/Gewinnprognose erstellt. Die Erfolgsprognose wird um Außerordentliches bereinigt und steuerliche Werte werden durch betriebswirtschaftliche Werte ersetzt:

  • betriebsfremde und außerordentliche Aufwendungen / Erträge
  • kalkulatorischer Unternehmerlohn bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften
  • kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen Vermögens
  • kalkulatorische Miete

Daneben werden erkennbare und feststellbare zukünftige Veränderungen berücksichtigt.

Kapitalisierungszinssatz

Die prognostizierten Gewinne unterliegen, wie alle in die Zukunft gerichteten Werte, der Unsicherheit. Deshalb müssen sie abgezinst bzw. diskontiert werden. Der Abzinsungsfaktor bzw. der Kapitalisierungszinssatz setzt sich aus folgenden Zinsgrößen zusammen:

  • Basiszins (i) - Zins {i} für eine sichere Anleihe und dem
  • Risikozins (r) - Zinsaufschlag {r} in Abhängigkeit vom Risiko

Die Besonderheiten kleiner und mittelständischer Betriebe finden primär im Risikozinssatz ihre Berücksichtigung. Dazu zählen allen voran die Inhaberabhängigkeit, aber auch Kunden- und Personenabhängigkeit, Branchenkonjunktur und Betriebsausstattung, Wettbewerbsintensität, Produkt- und Leistungsangebot und die Personalstruktur.

Im AWH-Modell werden alle Risiken über den Risikozins {r} eingepreist. Diese beeinflussen das Ergebnis erheblich. Ziel des Verfahrens ist die Ermittlung eines realistischen Wertes für das gesamte Unternehmen, der sowohl für die oder den Verkaufenden als auch für die Käuferseite als fair erachtet wird.

Berechnung des Ertragswertes

Die abgezinsten Rückflüsse aus der Erfolgsprognose werden zum sogenannten Barwert oder auch Ertragswert aufsummiert:

                                                         prognostizierter Gewinn
Unternehmenswert (Ertragswert) =-------------------------------------- x 100
                                                      Kapitalisierungszinssatz {i+r}

Risikostruktur von KMU

Kleine und mittlere Unternehmen mit regionalem Bezug haben eine andere Risikostruktur. Diese ist zum Beispiel abhängig von:

  • Kundenabhängigkeit (Großkunde)
  • Produkt- und Leistungsangebot (Nische oder Masse)
  • Branchenentwicklung und Konjunktur
  • Standort und Wettbewerb (Erweiterungsmöglichkeiten)
  • Betriebsausstattung (Investitionsstau)
  • Beschäftigtenstruktur (Überalterung der Belegschaft)
  • Personenabhängigkeit (nur eine Meisterin oder Meister / Fachkraft)
  • sonstiges betriebsspezifisches Risiko (Entwicklung im ländlicher Raum)
  • Inhabendenabhängigkeit - wie wichtig ist Chefin oder Chef für Umsatz und Rendite?
  • Wichtige Kunden
  • Hauptlieferanten
  • Bankbeziehungen
  • technisches Know-how
  • Kaufmännisches Know-how
  • Produkt-/Sortimentsgestaltung
  • Arbeitsablauf/-steuerung
  • Produktive Mitarbeit
  • fehlende Stellvertretungsregelung
  • Stellung Umfeld (Vereine, Politik usw.)

Rechnet sich der Kauf des Unternehmens zum ermittelten Wert?

Um abschließend zu klären, ob sich der Unternehmenskauf rechnet, erstellen die Betriebsberater/innen Ihrer Handwerkskammer gemeinsam mit Ihnen einen Businessplan, mit dessen Hilfe die Vorteilhaftigkeit (Rentabilität), die Tragfähigkeit und die Finanzierbarkeit Ihres Unterfangens geprüft wird. Den Businessplan schreiben Sie daher in erster Linie für sich selbst und erst in zweiter Linie für die Banken oder Förderinstitute.

© Foto: Falk Heller, www.argum.com

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