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Wissens-ABC

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Selbständige Tätigkeit oder Scheinselbständigkeit?

Die Beurteilung der Frage, ob eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird oder in der Realität doch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich nach einer Reihe von Kriterien die von der Rechtsprechung zur Wertung der tatsächlichen Ausgestaltung einer Arbeitsleistung  herangezogen werden.



Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, den Einzugsstellen jegliche Beschäftigungsverhältnisse für die Sozialversicherung zu melden und für Ihre Arbeitnehmer den gesamten Versicherungsbeitrag abzuführen. Hierzu muss sich der Arbeitgeber zunächst darüber im Klaren sein, welchen Status die von seinen Beschäftigten verrichtete Tätigkeit hat. Allein die Anmeldung eines Gewerbes ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich.

Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist es die Aufgabe der Rentenversicherungsträger, Betriebsprüfungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung durchzuführen.
Diese Prüfungen sollen dem Gesetzt nach alle vier Jahre erfolgen und umfassen mitunter
die vom Arbeitgeber durchgeführten versicherungsrechtlichen Beurteilungen der eingegangenen Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit. Zudem die in diesem Kontext abgegebenen Meldungen zur Sozialversicherung nach der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEUV) sowie die Richtigkeit der abgeführten Beitragszahlungen.

Die im Volksmund weit verbreitete Annahme, eine selbständige Tätigkeit lasse sich von einem abhängig geführten Beschäftigungsverhältnis anhand der Kriterien  
Anmeldung eines Gewerbebetriebes, Möglichkeit der Auftragsablehnung sowie keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Auftraggeber im Urlaubs- und Krankheitsfall, ist dabei allenfalls bedingt richtig.

Im Zuge eines Statusfeststellungsverfahrens ist grundsätzlich immer eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, d.h. alle Kriterien müssen aufwendig gegeneinander abgewogen werden. Dies erfordert nicht nur eine vollständige Aufzählung der für die Abgrenzung maßgeblichen Gesichtspunkte, sondern ebenfalls eine genaue Gewichtung dieser einzelnen Merkmale. Nach Auffassung der Rechtsprechung der Sozialgerichte sind die oben aufgeführten vermeintlichen Kriterien grundsätzlich ungeeignet als Merkmale zur Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Vielmehr ist nach Ansicht der Sozialgerichte die Gesamtwürdigung der Statusfeststellung  anhand  der folgenden drei Abgrenzungsmerkmale vorzunehmen: Weisungsgebundenheit, Eingliederung in den Betrieb sowie unternehmerisches Auftreten am Markt.

Während Weisungsgebundenheit vorliegt, wenn einem Beschäftigten der zeitliche und/ oder örtliche Rahmen, die Art der Arbeitsleistung  oder die persönliche Leistungserbringung vorgegeben wird, kann von der Eingliederung eines Beschäftigten in einen Betrieb ausgegangen werden, wenn er die Arbeitsleistung in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation erbringt, in die Hierarchie mit Vorgesetzten und/ oder Arbeitnehmern eingebunden ist und/oder betriebliche Einrichtungen bzw. Arbeitsmittel der Firma genutzt werden.

Kennzeichnend für ein eigenes unternehmerisches Auftreten am Markt hingegen ist die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und die damit einhergehenden Chancen am freien Markt wahrnehmen zu können dabei aber zugleich das Unternehmensrisiko des finanziellen Verlustes in Kauf nehmen zu müssen.

Die fehlerhafte Beurteilung einer selbständigen Tätigkeit kann dabei insbesondere für den vermeintlichen Auftraggeber erhebliche Konsequenzen zur Folge haben. Kommt die Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung bei der Gesamtwürdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass eine falsche Statusbeurteilung vorgenommen wurde, kann dies beispielsweise dazu führen, dass der vermeintliche Auftraggeber sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherung nachträglich zu entrichten hat. Je nach Konstellation des Einzelfalls können dabei erhebliche Nachforderungen zu Stande kommen, die für die Arbeitgeber durchaus existenzbedrohende Ausmaße annehmen können.

Auftraggebern, die Zweifel an der Selbständigkeit ihrer freien Mitarbeiter haben, ist daher anzuraten, eine Überprüfung bei der zuständigen Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin einzuleiten, um nicht Gefahr zu laufen, einen Auftrag mit sogenannten „Scheinselbständigen“ abzuwickeln.

Verwendete Quellen

Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (Hrsg.): „Heiteres Beruferaten“ bei der Betriebsprüfung. Selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung – Eine komplexe Beurteilung mit schwerwiegenden Konsequenzen. Mehl, Jürgen/ Pulvermüller, Uwe, erschienen in Zeitschrift Spektrum 2/2010 (Dezember 2010),  S. 90 – 93.

Deutsche Rentenversicherung

 

Quelle Text: Handwerkskammer Mannheim, 19.10.2015

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