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Betriebsnachfolge als Alternative zur Neugründung

Wissens-ABC

© Pixabay

Wenn über die berufliche Alternative einer Existenzgründung nachgedacht wird, denkt man zuerst an eine eigene Gründung. Es geht auch ganz anders: Eine Alternative ist die Betriebsübernahme bzw. Unternehmensnachfolge.

Es ist nicht zwingend leichter, einen bestehenden Betrieb weiter zu führen aber dennoch ist die Abwägung interessant und lohnenswert. Eine Betriebsübernahme bedeutet nicht sich einfach "ins gemachte Nest" zu setzen. Es bedarf ebenso einer guten Vorbereitung, wozu auch ein eigenes Konzept zählt, ebenso der besonderen persönlichen, unternehmerischen und fachlichen Anforderungen.

Der Rahmen ist ein anderer, bei dieser Art der Existenzgründung wird zunächst auf ein bestehenden Vorgaben aufgebaut: Das eigene Konzept (welches auch in diesem Fall vorhanden sein sollte) befindet sich noch im Hintergrund, Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten und übergangsweise auch der/die bisherige Inhaber:in besitzen (mitunter auch teils nostalgische) Gewohnheiten, es bestehen Selbstverständlichkeiten im Umgang (die nicht nachgelesen, sondern nur erfahren werden können) und sicherlich existieren auch „alte Lager".

Die Vorteile liegen in einem angestammten Standort, Räume und Geschäftsausstattung sind vorhanden. Der Markt für die Produkte und die Dienstleistungen ist bereits erschlossen, Beziehungen zu Kunden und Lieferanten sind aufgebaut und Mitarbeiter:innen eingearbeitet.

Von Seiten der öffentlichen Förderprogramme wie z.B. der L-Bank ist eine Betriebsübernahme einer Neugründung gleichgestellt.

Die Abwägung einen Betrieb zu übernehmen statt neu zu gründen lohnt sich allemal. Am Ende der Betrachtung lassen sich konkrete Details gegenüberstellen und damit kann sachgerecht entschieden werden.

Wie findet man einen Betrieb?

Um potentielle Betriebsinhaber:innen und Übernahmeinteressierte zusammenzubringen sind die Handwerkskammern Regionalpartner bei der bundesweiten Unternehmensbörse nexxt change (www.nexxt-change.org). Ein Teil der Handwerkskammern hat dazu noch eine eigene Betriebsbörse (so z.B. Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Freiburg).

Das Gesuch in der Betriebsbörse kann im Portal selbst eingegeben werden, ebenso kann man selbstständig in der Datenbank recherchieren. Die Nutzung der Datenbanken ist kostenfrei. Die Inserate werden aus Gründen des Datenschutzes unter einer Chiffre-Nummer erfasst.

Eigene Vorstellungen zu dem unternehmerischen Konzept (wie oben bereits erwähnt) erleichtern die Suche nach einem Betrieb und das Erstellen eines eigenen Anforderungsprofils:

  • Wo soll sich der Standort befinden?
  • Wie groß soll der Betrieb sein (Anzahl der Mitarbeiter:innen, Umsatzgröße u.a.)?
  • Soll der Betrieb insgesamt gekauft werden, gemietet, gepachtet oder soll eine Beteiligung erfolgen?
  • Wieviel Eigenkapital kann aufgebracht werden?


Wie läuft der erste Kontakt ab?

Der erste Kontakt wird durch die Handwerkskammer vermittelt. Im ersten Gespräch steht das gegenseitige Kennenlernen der Interessierten ähnlich einem Vorstellungsgespräch im Vordergrund. Tagesordnungspunkte für ein erstes Gespräch können z.B. sein:

  • Erstes gegenseitiges Vorstellen und Abschluss einer Vertraulichkeitserklärung
  • Vorstellung des Betriebes durch den Betriebsinhaber oder die Betriebsinhaberin
  • Vorstellung des/der Interessierten und der Geschäftsidee bzw. der Vorstellungen hinsichtlich einer Übernahme
  • Erste Zusammenfassung: Entwicklung und / oder Abgrenzung
  • Abstimmung weiterer Schritte und eines Zeitplanes

Bricht bei einem solchen ersten Gespräch das Eis und überwiegen die ersten Übereinstimmungen ist weiter zu klären, ob der Betrieb zu dem umzusetzenden Konzept wirklich passt.


Wie geht es weiter?

In der folgenden Zeit werden die Informationen zum Betrieb immer detaillierter. So gibt es eine Objektbeschreibung und später auch eine Objektbegehung. Gemeinsame Gespräche mit der Steuer- und ggf. Unternehmensberatung des Betriebs folgen. In die Analyse sind folgende Punkte einzubeziehen:

  • Standort, Betriebsräume, Betriebs- und Geschäftsausstattung
  • Ruf des Unternehmens
  • Mitarbeitende
  • Kundschaft und Konkurrenz
  • Kosten und Erträge
  • Verträge
  • Branchenvergleich

Letztlich steht der Wert, also der Kaufpreis des Betriebs, im Gespräch. Dabei sollte geklärt werden, was zu welchem Preis und warum gekauft wird.

Stimmen alle Faktoren und ergibt die Abwägung ein Pro für die Betriebsübernahme anstelle einer Neugründung dann ist ein Businessplan zu erstellen, der auch die Finanzierbarkeit und Rentabilität des Vorhabens betrachtet. Gespräche zur Finanzierung und zum Unternehmenskaufvertrag schließen sich an.


Die Nachfolgemoderation - Ein Angebot der Handwerkskammern

Bei der Suche, Anbahnung und Vermittlung von Kontakten zu entsprechenden Betrieben leistet der Bereich Wirtschaftsförderung der Handwerkskammern Unterstützung und besitzt auch für die weiteren Schritte ein vielfältiges, kostenfreies Leistungsangebot. Hierfür besitzen die Handwerkskammern teilweise ein spezielles Beratungsangebot: die Nachfolgemoderation. Nachfolgemoderator:innen begleiten bei den einzelnen Stationen auf dem Weg zur Betriebsnachfolge und unterstützen die Gespräche mit Betriebsinhabenden und Übernahmeinteressierten. Diese Tätigkeit wird kofinanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Plus.

Die Betriebsberater:innen der Handwerkskammern helfen bei einer Existenzgründung mittels Betriebsübernahme ebenso wie bei der Neugründung und bieten ein Mentoring beim Erarbeiten des Geschäftsplanes an. Und auch bei Konflikten gibt es Unterstützung. Nicht selten besteht im Rahmen des Nachfolgeprozesses der Bedarf einer neutralen Sicht. Hier kann die Mediation als flexibles, vertrauliches und außergerichtliches Verfahren, bei dem die Parteien durch strukturierte Verhandlungen gemeinsam eine Einigung erarbeiten, unterstützen.

 

Text: Andrea Winkler, Handwerkskammer Karlsruhe (Stand: März 2022)

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