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Erfolgreich im Handwerk

19.10.2016

Gründung versus Übernahme

 

Zwei junge Meister aus dem Landkreis Konstanz haben den jeweils passenden Weg in die Selbständigkeit gefunden

Sie sind beide etwa gleich alt, sind beide Meister, wenn auch in unterschiedlichen Gewerken, und haben sich beide vor einem guten Jahr in Konstanz selbständig gemacht. Aber die Wege, die Daniel Sommerfeld und Philipp Rothe dafür gewählt haben, sind grundverschieden. Denn während der eine einen gut laufenden Betrieb übernommen hat, fing der andere ganz von vorne an. Positiv fällt die Bilanz nach einem Jahr Selbständigkeit aber für beide aus.

Von Null auf Hundert in einem Jahr

„Ich bin eigentlich überrascht, dass es so einfach ging“, sagt Philipp Rothe. Entspannt sitzt er in seiner Wohnung in einem ruhigen Konstanzer Stadtteil. Hier hat der 31-Jährige sein Hauptquartier, sein Büro, für das im Moment noch ein kleiner Schreibtisch genügt. Wichtiger sind das Handy und natürlich der Firmenwagen samt Werkzeugen und Messgeräten, mit dem der Elektrotechnikermeister raus zu den Kunden fährt. Innerhalb eines Jahres hat sich Rothe schon einen ordentlichen Kundenstamm erarbeitet, rund 100 sind es, hauptsächlich Privatleute in und um Konstanz, die seinen Service zu schätzen wissen.

Handwerk Elektrotechnik Konstanz Rothe
Starthilfe bekam er dabei von einem Bekannten, der ein Leuchtengeschäft hat und dem Jungunternehmer Kunden vermittelte. Sobald der erste Kontakt einmal hergestellt war, ging es meistens weiter: „Wenn man sich bei kleinen Aufträgen gut anstellt, bekommt man auch Folgeaufträge“, beschreibt Rothe sein Erfolgsrezept. Dass er als gebürtiger Konstanzer auf ein vorhandenes Netzwerk in der Stadt und der Region zurückgreifen kann, sei für den Anfang wichtig gewesen: „Da spricht es sich schnell rum, dass man jetzt am Start ist und was man zu bieten hat“, sagt er.

Den nahtlosen Übergang geschafft

Von einem hervorragenden Netzwerk profitiert auch Daniel Sommerfeld. Allerdings hat das schon sein Vorgänger aufgebaut. Seit fast 20 Jahren gibt es die Firma Kainacher in Konstanz, zahllose Bäder, vor allem im Stadtteil Paradies, wurden von Andreas Kainacher und seinen Leuten in dieser Zeit rundum erneuert. Im September letzten Jahres hat Daniel Sommerfeld die Geschäftsführung übernommen. „Ich kam aus Augsburg hierher in die Meisterschule und über die Lehrmeister in Kontakt mit Andreas Kainacher, der einen Nachfolger suchte. Er hat mich eingearbeitet und ist nach wie vor mit im Betrieb“, erklärt der 30-Jährige. Der Schritt in die Selbständigkeit sei so früh eigentlich gar nicht geplant gewesen, doch die Firma Kainacher hat den jungen Installateur- und Heizungsbauermeister schlichtweg begeistert: „Hier stimmte alles: Das Konzept, die Leute, das Umfeld. Und ich wusste: Genau so will ich es machen.“

Handwerk Konstanz Sommerfeld
Einen Businessplan zu schreiben, sei dann ein Klacks gewesen. Auch die Banken waren leicht zu überzeugen und das Vertragliche ließ sich auch mithilfe der Beratung durch die Handwerkskammer gut regeln. Ein Jahr später weiß Daniel Sommerfeld sicher: „Es war eine gute Entscheidung!“ Der Stabswechsel sei so glatt verlaufen, dass nach außen fast nichts davon zu spüren war und er selbst die Chance hatte, in die neue Rolle hineinzuwachsen „Ich hatte hier beste Startbedingungen“, sagt der neue Firmenchef.

Voller Einsatz ist bei beiden gefragt

Dass sein Name nicht über der Firma steht? Für Daniel Sommerfeld kein Problem. „Ich definiere mich nicht über ein Schild an der Tür, sondern über meine Leistung“, sagt er selbstbewusst. Die ist allerdings auch gefragt: „Der Acht-Stunden-Tag ist nicht mehr. Ich bin zehn, zwölf Stunden im Einsatz“, sagt er. Einen zusätzlichen Mitarbeiter hat er bereits gefunden, doch zu groß soll die Firma nicht werden: „Ich will nicht nur im Büro sitzen und managen, sondern selbst beim Kunden sein. Der Chef vor Ort ist immer von Vorteil, sonst passieren Fehler.“

Der direkte Kontakt mit dem Kunden ist auch für Elektrotechnikermeister Philipp Rothe das A und O. Und auch für seinen Ein-Mann-Betrieb ist Wachstum nicht das große Ziel: „Für mich steht die Kundenzufriedenheit an erster Stelle. Daraufhin will ich meine Arbeitsabläufe optimieren und eine Struktur aufbauen, die genau auf mich zugeschnitten ist“, erklärt er. Das Schritt für Schritt tun zu können, darin sieht er den eigentlichen Vorteil einer Neugründung: „Ich habe volle Gestaltungsfreiheit und am Anfang weniger Druck, weil ich weder an Mitarbeiter denken noch besonders hohe Investitionen stemmen muss.“

Gleichzeitig müsse man als Neugründer aber auch bereit sein, mit Unsicherheiten zu leben: „In den ersten zwei Monaten macht einen jede Minute Freizeit ein bisschen nervös“, erzählt Rothe. Da sei Selbstvertrauen gefragt. Vor allem aber brauche es Berufserfahrung, um sich als frischgebackener Meister in die Selbständigkeit zu wagen: „Ich bin froh, dass ich nicht schon mit Mitte 20 diesen Schritt gegangen bin. Heute kann ich viel genauer abschätzen, was auf mich zukommt und weiß, wie ich es angehen kann.“

Zwei völlig unterschiedliche Modelle

Betriebsberater Dennis Schäuble von der Handwerkskammer Konstanz über die Vor- und Nachteile für Neugründer und Übernehmer
 
Herr Schäuble, Sie beraten bei der Handwerkskammer Konstanz sowohl Übernehmer als auch Neugründer. Was ist denn der leichtere Weg?

Das sind einfach zwei völlig unterschiedliche Modelle. Der große Vorteil bei einer Übernahme ist natürlich, dass man auf der Basis aktueller Zahlen arbeiten kann. Das macht es beim Businessplan und bei den Banken leichter. Ein Gründer muss da anders vorgehen. Wir raten immer, erst einmal zu überlegen, was man an Umsatz eigentlich generieren muss, um die Fixkosten zu decken und eine schwarze Null zu schreiben. Umgekehrt hat ein Neugründer je nach Branche natürlich nicht so hohe Kosten. Eine Übernahme ist in der Regel teurer, weil eben auch mehr Substanz da ist, vom Maschinenpark bis zur Kundendatei. Die Anfangsinvestition hat sich allerdings meist innerhalb von drei bis fünf Jahren amortisiert. Ein Gründer weiß dagegen nicht, ob und wann er ernten kann, was er gesät hat.

Konstanz Handwerk Beratung
Also ist eine Neugründung letztlich doch riskanter?

Das hängt ganz stark von der Branche, vom Konzept und auch von der Person des Gründers ab. Es ist schon einiges an Berufserfahrung notwendig, um sich da realistische Ziele stecken zu können. Und man sollte vorab genau klären, was der Markt überhaupt hergibt. Bei einer Übernahme eines gut eingeführten und gut aufgestellten Betriebs – und das sollte natürlich der Fall sein – laufen die Geschäfte dagegen meist einfach weiter.

Aber wo bleibt dann das Eigene?

Klar, das kann zum Problem werden. Wenn die Strukturen sehr eingefahren sind, wird es für einen Nachfolger unter Umständen schwierig. Man übernimmt eben alles, auch Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten. Wenn die alle auf den früheren Inhaber eingeschworen sind, muss man viel Zeit und Mühe verwenden, um sich ein eigenes Standing zu erarbeiten. Wenn aber die Chemie stimmt, man alle mitnehmen kann und der Vorgänger auch noch als Mentor zu Verfügung steht, ist das für eine Übernahme optimal.

Das klingt aber nach einem ziemlich langwierigen Prozess. Wie lange dauert es denn, bis man wirklich fest im Chefsessel sitzt?

Erfolgreiche Übernahmen sind nie Schnellschüsse. Man sollte schon im Vorfeld einen sehr genauen Blick auf das Unternehmen werfen, die Strukturen kennenlernen und Veränderungen behutsam und schrittweise angehen. Das kann schon ein paar Jahre in Anspruch nehmen.

In dieser Zeit kann eine Gründung schon ganz schön gewachsen sein. Ist das dann nicht doch leichter?

Ja sicher, das kann auch mal schnell gehen. Aber man sollte sich auf keinen Fall die Chance entgehen lassen, Schritt für Schritt zu wachsen und nicht gleich das ganz große Ding stemmen. Das ist doch der eigentliche Charme einer Neugründung: Man darf klein anfangen. So entstehen nämlich individuelle Lösungen und auf Dauer tragfähige Unternehmen.

Wozu also raten Sie: Gründung oder Übernahme?

Ich rate in jedem Fall, Beratung in Anspruch zu nehmen. Bei uns gibt es die kostenlos und wir ziehen bei Bedarf hausinterne Experten hinzu, um Gründer wie Übernehmer gut zu unterstützen. Denn mit der richtigen Unterstützung führen beide Wege zum Erfolg.

Vielen Dank Herr Schäuble.


Ausführlich Informationen für Existenzgründer und Firmennachfolger gibt es unter www.hwk-konstanz.de

Ansprechpartner:

Dennis Schäuble
Handwerkskammer Konstanz
Wirtschaftsförderung und Unternehmensservice
Tel. 07531 205-374,
E-Mail: dennis.schaeuble@hwk-konstanz.de

Quelle Text: Handwerkskammer Konstanz, Oktober 2016

Das Interview führte die Deutsche Handwerks Zeitung DHZ im September 2016

Quelle Bilder: DHZ

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